Nach mehr als 15 Jahren schwingt Harrison Ford im Alter von fast 80 als Kult-Archäologe ein letztes Mal die Peitsche. “Indiana Jones und das Rad des Schicksals” hat sicher seine Momente, wird die Fangemeinschaft aber erneut spalten.
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42 Jahre nach dem ersten Teil (1981) und 15 Jahre nach dem vierten (2008) steht mit “Indiana Jones und das Rad des Schicksals” der letzte Film von einem der wohl bekanntesten Leinwandhelden der Kinogeschichte in den Startlöchern. Harrison Ford, der in zwei Wochen 81 Jahre alt wird, hat noch einmal den Fedora-Hut und die Peitsche aus der Mottenkiste geholt. Regie-Legende Steven Spielberg macht nach vier Filmen Platz “für eine neue Generation, die ihre Perspektive der Geschichte einbringen soll”. Und “Le Mans 66”-Regisseur James Mangold setzt diese neue Perspektive unter Federführung der Disney Company auch ohne viel Umschweife von der ersten Sekunde an um. Die Comic-Nazis von einst sind realistischer geworden und Tod und Mord werden zu einer nennenswerten Größe im “Indiana Jones”-Universum.
Was einem als eingefleischter “Indy”-Fan jedoch als Erstes auffällt, ist der fehlende fließende Übergang des Paramount-Logos als Teil der Handlung. Mangold hat kein Interesse an der naiven Abenteuer-Spielwiese eines Steven Spielberg und ersetzt diese durch eine 08/15-Inszenierung und Action von der Stange, die fast jedem aktuellen Blockbuster entliehen sein könnten. Die Kamera ist oft zu nah dran, Szenen spielen teilweise in völliger Dunkelheit. Setzten Spielberg und “Indiana Jones”-Erfinder George Lucas in den alten Filmen – selbst im bei vielen Fans verhassten vierten Teil – noch Kino-Akzente, in denen sie Bilder erschufen, die sich ins cineastische Kollektiv einbrannten, hat “Indiana Jones und das Rad des Schicksals”, außer etwas Retro-Retro-Charme, nicht viel zu bieten. Der Film ist immer dann am besten, wenn er die Spielberg-Ära zitiert, die er ja eigentlich abstreifen und – dem Zeitgeist angepasst – erneuern möchte.
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CGI ist nicht das Allheilmittel des Kinos
Bei 154 Minuten Laufzeit und Produktionskosten von über 300 Millionen Dollar sollten die Zuschauer vom wohl berühmtesten Kino-Archäologen – auch im Rentenalter – einiges erwarten dürfen. Der Fairness halber muss man zugeben: Nicht alles am “Rad des Schicksals” ist schlecht. Es ist schön, Harrison Ford – zur Drehzeit bereits 78 Jahre alt – noch einmal in seiner wohl ikonischsten Rolle zu sehen. Der Mann ist einfach zu gut! Mürrisch und schelmisch schaut er wie einst im “Jäger des verlorenen Schatzes” in die Kamera und binnen Sekunden ist es wieder da, dieses Gefühl vom großen Abenteuer.
Der Prolog, schon immer ein fester Bestandteil der “Indiana Jones”-Streifen, ist in “Indy 5” schon fast ein Film für sich. Ein mit CGI verjüngter Harrison Ford hat es 1944, in den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges, in Gestalt von Mads Mikkelsen als Jürgen Voller und Thomas Kretschmann als Oberst Weber mal wieder mit Nazi-Schergen zu tun. Das Intro ist rasant und spannend und hat alles, was man an der “Indiana Jones”-Franchise schätzen und lieben gelernt hat.
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Als jedoch die eigentliche Handlung einsetzt, verfliegt dieses Gefühl schnell wieder. Indiana Jones erwacht im Jahre 1969 in einer schäbigen Wohnung und ist vom Lärm der Nachbarn genervt. Es ist dieser Moment, in dem man sich als Kinofan fragt: Was hat die Autoren dazu bewegt, den liebenswerten, vertrottelten und gelegentlich auch argwöhnischen Henry “Indiana” Jones, Jr. im Alter von fast 80 Jahren in solch eine traurige Szenerie zu setzen? Soll das lustig sein? Ist das der Humor der neuen Generation, der Steven Spielberg Platz machen wollte? “Indy” steht kurz vor dem Ruhestand und es ist okay, ihn in seiner selbstverschuldeten Einsamkeit das eine oder andere Glas zu viel trinken zu lassen. Ihn aber als ausgebrannten alten Zausel in einem verlotterten New Yorker Apartment zu inszenieren, ist einer der größten Kultfiguren des modernen Kinos unwürdig und trifft nicht im Geringsten den Geist der “Indiana Jones”-Filme.
Indiana Jones und der aktuelle Zeitgeist
Was folgt, ist ein kruder Mix aus altbekannter Abenteuer-Jagd und glattgebügelter moderner Tricktechnik. Auch hier fragt man sich, ob die Verantwortlichen im Hause Disney, allen voran Lucasfilm-Präsidentin Kathleen Kennedy, aus dem durchwachsenen vierten “Indy”-Teil nichts gelernt haben. “Indiana Jones und das Rad des Schicksals” wirkt streckenweise – wie mittlerweile bei vielen Disney-Produktionen üblich – wie Malen nach Zahlen. Viel CGI, wenig Seele und Verfolgungsjagden, die der 80er-Jahre-Action der Spielberg-Filme nicht einmal annähernd das Wasser reichen können. Große Akteure wie John Rhys-Davies, der erneut in seine Rolle des alten “Indy”-Freundes Sallah aus Teil 1 und Teil 3 schlüpft, und Antonio Banderas als Schiffskapitän Renaldo werden sinnlos verheizt. Alles soll schneller, größer und moderner wirken, aber Plot und Optik verlieren sich im tristen Bombast des aktuellen Unterhaltungs-Einheitsbreis.
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Doch der Zeitgeist ist mit dem alten weißen Mann noch nicht fertig, schließlich hat es der schlapphuttragende Haudegen einer längst vergangenen Epoche in “Indiana Jones und der Tempel des Todes” (1984) gewagt, eine Frau (gespielt von Kate Capshaw, der Ehefrau von Steven Spielberg) mit der Peitsche an sich zu ziehen. Wie schon den Jedi-Meistern Luke Skywalker und Obi-Wan Kenobi – ebenfalls aus dem Hause Lucasfilm – wird auch Indiana Jones eine taffe junge Frau (Phoebe Waller-Bridge) zur Seite gestellt, die dem Helden ordentlich in die Parade fährt, ihn bloßstellt, maßregelt und dann auch noch im denkwürdigen Finale “Indy” die Entscheidungsgewalt über sein Leben abspricht. Großen Kino-Ikonen von einst muss halt im Hause Disney ordentlich der Kopf gewaschen werden, damit auch alles seine Ordnung hat.
“Indy” gehört auf die große Leinwand
In der finalen Szene, in der die “neue” Generation, mit ihren “neuen” Perspektiven ein weiteres Mal die Spielberg/Lucas-Ära zitiert, wird dann doch recht deutlich, dass “Indiana Jones und das Rad des Schicksals” dem Mythos nichts Neues hinzuzufügen hat. Das Ende von Teil 5 ist im Grunde nur eine schäbigere und traurigere Variante des Endes von Teil 4 und alles, was dazwischen passiert, hätten weder Indiana Jones noch die Zuschauer wirklich gebraucht.
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Unterm Strich jedoch sollte man das letzte Abenteuer von Henry Jones Jr. trotz der Schattenseiten nicht versäumen. Denn wie man es auch dreht und wendet, für diese Art von Filmen – ob man sie jetzt mag oder nicht – ist das Kino mal erfunden worden. Und wer will nicht noch einmal Harrison Ford dabei beobachten, wie er sich in der Dunkelheit des Kinosaals übergroß auf der Leinwand den Hut ins Gesicht zieht, während seine Mundwinkel frech nach oben zucken?
Zur traurigen Wahrheit gehört aber auch, dass mit diesem Film eine Reise endet, die 1977, also vor über 40 Jahren, in den Köpfen zweier junger Filmemacher begann, die am Strand von Hawaii den Einspielergebnissen des ersten “Star Wars”-Films entgegenfieberten.
In einer Schlüsselszene vom “Rad des Schicksals” sagt “Indys” Freund Sallah, er würde die Wüste, das Meer und die Tage der Abenteuer vermissen. Indiana Jones entgegnet: “Diese Tage gehören der Vergangenheit an”. Recht hat er: Die Zeit der Abenteuer ist endgültig zu Ende!
“Indiana Jones und das Rad des Schicksals” läuft ab dem 29. Juni in den deutschen Kinos